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Europa – Alte Welt im Aufbruch?

Fachartikel von Christian Finke, Geschäftsführer Monega Kapitalanlagegesellschaft mbH

In den vergangenen Jahren hat Europa, insbesondere die großen Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich und Italien, zunehmend den wirtschaftlichen Anschluss verloren. Der ökonomische Fokus verlagerte sich immer stärker in Richtung USA und Asien, wo Innovationszyklen kürzer und das Wachstum höher ausfielen als bei uns. Die jüngsten Signale an den Kapitalmärkten lassen jedoch aufhorchen: Befindet sich die Alte Welt im Aufbruch? 

Dass die europäischen Schwergewichte in puncto Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich an Boden verloren haben, dokumentieren Studien wie das jährlich erhobene „World Competitiveness Ranking“ der Schweizer Hochschule IMD. Lässt man darüber hinaus die skandinavischen Länder sowie kleinere EU-Mitglieder außer Acht, zählen die Staaten Europas nicht mehr zur internationalen Spitzengruppe. Lediglich bei der Zunahme von Regulierung und Bürokratie kann die EU ihre Konkurrenz regelmäßig deklassieren.

Trägheit im System
Dabei stehen Anspruch und Wirklichkeit nicht selten im Widerspruch zueinander, wie die 2022 ausgerufene Zeitenwende veranschaulicht. Trotz Dringlichkeit, politischer Adressierung und erheblichen genehmigten Budgets blieben die Fortschritte beim Thema Rüstung weit hinter den Erwartungen zurück. Durch den Regierungswechsel im Weißen Haus wurde der Druck auf die EU seit Jahresanfang noch einmal drastisch erhöht. Die Frage bleibt: Verharren wir auf dem alten Kontinent in der Trägheit unserer Strukturen, oder schafft es Europa, Antworten auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen zu finden, um neue, resiliente Wege zu beschreiten?

Während der gesellschaftliche Frageteil nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, da auch Europa inzwischen vielerorts von Regierungen mit stark nationaler Ausrichtung geführt wird, eröffnen sich dank der Kapitalmärkte vielversprechende wirtschaftliche Chancen.

Herausforderungen annehmen
In den letzten fünf Jahren, das heißt zwischen 2020 und 2025, konnte der amerikanische S&P 500 den STOXX Europe 600 in EUR gerechnet um über 70 Prozent outperformen. Verlängert man allerdings das Vergleichsende bis zum 17. April 2025, so schrumpft der Vorsprung auf etwas mehr als 40 Prozent, denn einige europäische Aktienmärkte haben in den letzten sechs Monaten um 25 bis 35 Prozent mehr Rendite erzielt als die breiten US-Indizes. Das Investitionsverhältnis kippt also zugunsten Europas. In welchem Umfang die Kapitalmarktteilnehmer hierbei die Maßnahmen der US-Regierung abgestraft haben und welche Rolle der Abbau der hohen Bewertungen jenseits des Atlantiks spielten, lässt sich nicht genau beziffern. Sicher ist jedoch, dass Europa von der gegenwärtigen Volatilität und der perspektivischen Unklarheit bei US-Unternehmen im Hinblick auf zukünftige Wertschöpfung profitiert. 

Interessant wird daher zu sehen, ob Europa in der Lage ist, das positive Momentum zu nutzen und seine Standortattraktivität langfristig zu erhöhen. Voraussetzung ist, dass die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen adressiert werden: Gelingt es, internationale Talente zu motivieren in Europa zu arbeiten? Und kann die Politik bei aller angebrachten Skepsis Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen gleichermaßen eine bessere Infrastruktur zur Verfügung stellen? Hierzu gehören steuerliche Rahmenbedingungen genauso wie eine verbesserte Sicherheitsarchitektur, moderne Verkehrs- und Informationswege und gute Handelsbeziehungen.

Kurzum, im Wettstreit mit den großen Nationen liegt der Ball nun bei Europa. Die Alte Welt muss unter Beweis stellen, dass sie diese Vorlage auch verwandeln kann, und Anleger sollten das Potenzial der Alten Welt nicht unterschätzen.

Christian Finke ist seit 2014 Geschäftsführer der Monega Kapitalanlagegesellschaft mbH (KAG). Er verantwortet insbesondere die Bereiche Portfoliomanagement, Vertrieb, Kundenbetreuung und IT Betrieb & Entwicklung. Vor seiner Zeit bei der Monega KAG war er in verschiedenen Führungspositionen bei dem auf Versicherungen spezialisierten Asset Manager GenRE Capital tätig, von 2008 bis 2013 als Geschäftsführer. Der ausgebildete Diplom-Volkswirt und DVFA-Analyst startete seinen Werdegang als Portfoliomanager bei der DWS in Frankfurt und der ADIG Luxemburg.

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